Offener Brief an die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt und den AK que(e)r_einsteigen zur Einladung von Laurie Penny

Liebe Menschen von der Heinrich-Böll-Stiftung und vom AK que(e)r_einsteigen,

als antifaschistische Gruppe haben wir uns zusammen mit dem Bündnis „Halle gegen Rechts“ immer wieder gegen antisemitische Ausfälle im Rahmen der sogenannten „Montagsdemo“ und in anderer Form gewandt. Wir trafen dort auf Menschen, die behaupteten, zwar nichts gegen Juden im Allgemeinen zu haben, den Staat Israel aber für eine schlimme Seuche, von Ratten gesteuert oder zumindest für den Kriegstreiber schlechthin hielten. Die auf dem halleschen Marktplatz geäußerte Hetze ging dabei soweit, dass die Jüdische Gemeinde ihre Mitglieder sogar vor einem Besuch der Innenstadt während der Demos warnen musste. Dabei haben wir stets darauf hingewiesen, dass Antisemitismus auch bedeutet, Israel, den einzigen Staat mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit und den Staat der Überlebenden der Shoah mit dämonisierenden Stereotypen zu belegen und ihn trotz seiner wichtigen Funktion als Schutzmacht gegen den globalen Antisemitismus zu bekämpfen. Einsatz gegen Antisemitismus bedeutet deshalb auch immer, Einsatz gegen jeden Versuch Israel und seine Selbstverteidigung zu delegitimieren oder es durch Boykotte zu schädigen.

Deshalb irritiert uns, dass ihr Laurie Penny zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen habt. Jenseits ihrer feministischen Arbeit hat sie sich bereits israelfeindlich geäußert und hat ein ambivalentes Verhältnis zu Boykott-Initiativen. So beschreibt sie in einem Artikel im „New Statesman“ vom 24. Juli 2014, dass die Feststellung, Israel könne nicht „jeden töten, wozu es Lust habe“ [1] nicht antisemitisch und dementsprechend legitim sei. Darüber hinaus erklärt sie die Lage Israels mit Blick auf die Shoah damit, dass ehemalige Opfer zu Tätern werden können [2], womit sie die israelische Selbstverteidigung im Angesicht unzähliger Raketenangriffe im Gaza-Krieg von 2014 meint. Wäre das nicht genug, wird Laurie Penny auch praktisch und lässt jede Distanz zu anti-israelischen Boykott-Bewegungen vermissen. So sagt sie zum Beispiel, dass sie zwar nicht die antisemitische „Boykott, Divestments, Sanctions“- (BDS) Kampagne unterstütze, aber „deren Recht zu protestieren“. [3] Ist es sinnvoll, dass gegenüber menschenfeindlichen Bewegungen zu betonen? Wie würden Antifaschist*innen jemanden nennen, der*die das gegenüber Pegida hervorbringt? Sie geht allerdings noch weiter, denn jenseits ihrer BDS-Position, findet sich ihr Name auch unter der Erklärung der „Artist for Palestine UK“, die alle Unterzeichnenden zu einem kulturellen Boykott Israels verpflichtet. [4] Ein Boykott kann nur das Ziel haben, Israel zu schwächen und den regionalen Konflikt, den man zu lösen vorgibt, auf den bösen Willen israelischer Repräsentant*innen zu schieben. Im Angesicht der antisemitischen Bewegungen und Machthaber*innen der Region und der konstanten Bedrohungslage Israels, kann man dies nur als antisemitisch bezeichnen.

Wir können davon ausgehen, dass Euch diese Umstände bekannt waren. Denn auf die langsam stärker werdende Kritik konntet ihr immerhin entgegnen, dass Laurie Penny nicht für ihre Position zu Israel, sondern für ihre Arbeiten zum Thema „Feminismus“ eingeladen worden sei. Diese von Euch als „Klarstellung“ bezeichnete Ausrede ist allerdings höchst problematisch. Wenn Ihr der Meinung sein solltet, dass die Boykotteur*innen und Feind*innen Israels zu bekämpfen sind, dann kann man sich mit genau denselben Menschen nicht an einen Tisch setzen, um über irgendetwas anderes zu reden. Neben dieser unglücklichen „Klarstellung“, gab es allerdings auch andere Aspekte in Eurer Kommunikation, die wir kritisch sehen: Es ist nicht hinzunehmen. dass ihr als Veranstalter*innen Statements über „die mitochondriale Vererbbarkeit des Judentums“ [5] und andere antisemitische Ausfälle mehrere Tage lang stehen lasst und Euch stattdessen den Kritiker*innen der Veranstaltung widmet. Als Akteure „gegen Rechts“ habt Ihr Euch zuallererst der Aufgabe gewidmet, menschenfeindliches Gedankengut zu bekämpfen und nicht, eine israelfeindliche Veranstaltung zu bewerben.

Wir hoffen darauf, dass der Kampf gegen Antisemitismus zukünftig auch vor den eigenen Reihen nicht halt macht und grüßen antifaschistisch,

No Halgida

[1] „It is not anti-Semitic to suggest that Israel doesn’t get a free pass to kill whoever it likes in order to feel “safe”.”
[2] “But the abused sometimes go on to abuse others.” http://www.newstatesman.com/world-affairs/2014/07/israel-s-assault-gaza-intensifies-it-not-anti-semitic-say-not-my-name
[3] https://twitter.com/PennyRed/status/712369153777266688?lang=de
[4] “we pledge to accept neither professional invitations to Israel, nor funding, from any institutions linked to its government” http://artistsforpalestine.org.uk/introduction/a-pledge/
[5] http://www.directupload.net/file/d/4304/zqg5zl9d_png.htm

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